Lesen – ein Zusammenspiel von Hören, Sehen und Sprechen
Lesen können und Lesen unterrichten ist die allgegenwärtige Forderung. Allen, die Lesen können, erscheint dieses selbstverständlich,wie wenn es angeboren wäre. Was einzelne Teilfertigkeiten verlangen, zeigt sich erst, wenn Leseversagen festgestellt wird.
Unabhängig von den Schulkindern bestehen Schwierigkeiten.
Das Sprechen von Lauten wird artikulatorisch bestimmt.
Bereits Neugeborene suchen beim Hören die Schallquelle und drehen entsprechend den Kopf. Auf dem Wickeltisch sehen sie die Sprechbewegungen und versuchen, diese nachzumachen.
Laute beeinflussen einander klanglich, weil sie ununterbrochen mit dem Luftstrom geäussert werden.
Das heisst: Es gibt ganz offensichtlich keine artikulatorisch vollständig eindeutige Mund- und Zungenstellungen für den einzelnen Sprachlaut. Was mundmotorisch geübt wird, sind Artikuleme.
Fürs Lesen Lernen braucht es deshalb eine hörbare abstrakte Grösse, als Phonem bezeichnet. Das tiefe Berner A tönt anders als das hohe St. Galler A .Das wird klar als hörbarer Unterschied wahrgenommen.
Diese Phoneme sind die kleinste Einheit, welche Bedeutungen zwischen zwei Wortklängen unterscheidet. /ha:se/ bedeutet etwas anderes als /ho:se/.
Wichtig ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer beim Schriftdeutsch Sprechen und Vorlesen bei sich und den Kindern auf ein korrektes Sprechen der Phonemabfolgen achten. Muskelbewegungen bedeuten eine „Anstrengung“ . Bei „Achgung“ statt „Achtung“ bleibt der Zungenrücken hinten im Hals. Die Bewegung der Zungenränder hinter die obere Zahnreihe unterbleibt. Bei „fümpf“ statt „fünf“ wird alles mit den Lippen gesprochen. Meistens sprechen Erstklasskinder noch spontan nach. So genügt eine Korrektur mit Blickkontakt: „Schau, das spricht man so“. Sprechverschen und Gedichtchen helfen, die Mundmuskeln zu trainieren.
Zu beachten ist:
Mündliche Äusserungen sind flüchtig und verklingen.
Das klangliche Erinnerungsvermögen ist bei Kindern unterschiedlich angelegt. Weg ist weg. Für Lehrerinnen und Lehrer stimmt, wenn sie sich auf das „einmal Sagen“ beschränken. Das aber verlangt von ihnen, mit ihrem Blickkontakt in die Runde festzustellen, ob das Gesagte auch angekommen ist. Gehörtes verarbeiten braucht manchmal Zeit.
Schriftsysteme
Schriftzeichen sind sichtbare Spuren, die auf unterschiedlichste Weise hergestellt werden können. Beim Erarbeiten von Schriftsystemen wurde die Bedeutung der Zeichen ausgeblendet. Im Gegensatz zur gesprochenen Sprache sind die visuellen Unterschiede von Buchstaben Eigenschaften der Buchstaben. Es sind Signale, die auch ohne wörtliche Erklärung eine Reaktion auslösen.Dass die gedruckten< LAGER> und < lager> bedeutungsgleich sein sollen, lässt sich visuell nicht bestimmen. Es gibt Erstklasskinder, die sich weigern, unterschiedlich aussehende Buchstaben als gleich lautend zu akzeptieren.
<A> und <a> sind demnach geschriebene Varianten, die eine Klasse „das ist ein A“ kennzeichnen.
Konkret visuell vorliegende Buchstaben verlangen ebenfalls eine abstraktere Ebene. Sie werden als Grapheme bezeichnet.In den meisten Worterkennungsmodellen wird dies stillschweigend vorausgesetzt.
Grapheme sind in dem für ein Schriftsystem gültigen Alphabet aufgeführt und sind der Kern der zahlreichen möglichen graphischen Mittel wie Wortlücken, Fettdruck, Grossschreibung, Ziffern, Satzzeichen. Die Beziehung vom Graphem zum Phonem muss ausdrücklich geübt werden, vor allem, wenn Lesen bei einigen Kindern Mühe bereitet. Bei den Schriftzeichen bestehen viele Abweichungen, sowohl was das Schreiben wie das Sprechen betrifft, wie etwa <sch>, <st>, <sp>, <ng>, <x>.Das widerspricht. der Logik einiger Kinder .
Lehrerinnen und Lehrer achten mit Vorteil bei den verwendeten Erstleselehrwerken und Übungsblättern darauf, welche Druckschrift verwendet wurde.
So können Verwirrungen bei einigen Kindern vermeiden werden, zum Beispiel, wenn nach der Einführung des Vokals <I>< i> das Minuskel- L auch nur ein Strich ist. Erstklasstexte und spätere nur in sogenannten Grossbuchstaben, den Majuskeln, gedruckt, ergibt für die Augen eine dunkle kaum gegliederte Fläche. Der Einstieg ins Lesen erfolgt am besten mit Wörtern, die der 1 zu 1 Beziehung „Buchstabe – Laut/Laut – Buchstabe“ entsprechen. Das weitere baut darauf auf.