Kinder lernen früh sprechen – aber die Grammatik braucht Zeit

Zusammenfassung und Kommentar von Dr.Barbara Müller zu „Kinder lernen früh sprechen – aber die Grammatik braucht Zeit“, NZZ vom Freitag 8.April 2016, beziehungsweise Michael Scheide und Angela Friedrich,  The ontogeny of the cortical language networkNature Reviews Neuroscience, Online-Publikation vom 4. April 2016.

 

Michael Skeide, Angela Friederici

Einfache Sätze wie „Der Fuchs jagt den Igel“ verstehen Dreijährige in der Regel mühelos. Doch bis Kinder mit den Feinheiten einer Sprache ebenso gut umgehen können wie Erwachsene, vergehen noch einige Jahre.“

Erste Strukturen der Sprachaufnahme entwickeln sich bereits vor der Geburt. So können Babys einfache Silben wie ma und pa vom Hören her unterscheiden, jedoch noch nicht sprechen.

Gehörtes auf Grund der Sprachmelodie in Silben und Satzglieder zu unterteilen, und damit Objekte, Handlungen, Ereignisse zu bezeichnen, dies alles wird in den ersten Lebensjahren sprechend erprobt. Ab etwa drei Jahren werden die verschiedenen Sinneseindrücke neuronal vernetzt und nach und nach automatisiert.

Wortlaut, Sprechbewegungen und Bedeutung einzelner Wörter und ihre Position im Satz werden kombiniert und verglichen und einer gegebenen Grammatik angepasst. Das Sprachverständnis erweitert sich, dies in ständigem Austausch mit der Umwelt.

„Erst mit zehn Jahren verstehen Kinder komplexe Sätze fast so gut wie Erwachsene. Die Hirnreifung, d.h. die voranschreitenden neuronalen Verbindungen geben bei der Sprachentwicklung den Takt an.“

Schlussfolgerungen:

  1. In den ersten 6-7 Jahren werden die Grundzüge (Grammatik) einer (oder mehrerer Sprachen) im Austausch mündlich erarbeitet und angewendet.
  2. Das Umsetzen in geschriebene Sprache und das Erfassen der geschriebenen Sprache erfordert die Zeit der nächsten drei Jahre. Es richtet sich nach den Entwicklungsschritten des Sprechenlernens.
  3. Die Wortschatzerweiterung für die nächsten sechs Jahre ist zwingend, für die ersten drei zunächst aus dem Erlebenisumfeld, für die folgenden sechs in die Grundbegriffe der einzelnen zunächst gut erlebbaren, später abstrakteren Fachbereiche.
  4. Das Erleben von Sprache, mitfühlen und sich entsprechend äussern, das heisst, „die emotionale Intelligenz“ hat Vorrang.
  5. Eine weitere unbekannte Sprache nutzt das bereits vorhandene grammatische Wissen und setzt es ein.
  6. Deshalb ist das spontane Sprachenlernen der ersten Lebensjahre als Methode für späteres Lernen ungeeignet. Dieser Entwicklungsschritt ist abgeschlossen.

Es gilt:

  • Eine Sprachmelodie, das heisst, der entsprechende Akzent einer Sprache oder eines Dialekts, wird in der ersten Entwicklungsphase erworben. Dies verliert sich nach dieser Zeit.
  • Das erfasste grammatische Wissen leitet das spätere Lernen von Sprachen.
  • Wörter, Wortwissen und Inhalt ist für alle Sprachentwicklungsphasen Grundlage
Dieser Beitrag wurde in Kommentar veröffentlicht und getaggt . Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen. Kommentieren oder einen Trackback hinterlassen: Trackback-URL.

Einen Kommentar hinterlassen

Ihre E-Mail wird niemals veröffentlicht oder weitergegeben. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie können diese HTML-Tags und -Attribute verwenden <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>

*
*

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..